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Warum frokeln?

Versuch einer Erklärung eines unerklärlichen Verlangens :-)

Von Erik Meltzer <ermel@modellbahnfrokler.de>

"Was", so fragt der normale Mensch, "was reitet Dich, nagelneue Güterwagen zu zersägen?" Und weil es viele normale Menschen gibt und nur wenige Verrückte wie mich, habe ich diese Seite geschrieben. Denn der Gründe gibt es gar viele. Ich will versuchen, die üblichen Gegenargumente zu entkräften.

Es gibt doch schon alles. Wozu umbauen?

Es gibt eben noch nicht alles. Und gottseidank wird das wohl auch immer so bleiben. Klar, alle Jahre wieder füllt die Industrie ein paar Lücken (wenn auch meist eher bei den Dampfloks als bei den Güterwagen), aber viele Typen und – vor allem – viele Varianten der vorhandenen Typen fehlen eben noch. Ein Epoche-3-Ganzzug aus Omm-Wagen und kein einziger Omm 44 darin, weil's den von keinem Hersteller gibt? Eine Epoche-1-Anlage, auf der nur die bayerischen Wagen Fachwerkachshalter haben, weil's Fleischmann eben noch nicht gemerkt hat und Trix nur bayerische baut?

Abgesehen davon ist es m.E. auch befriedigender, nicht zu jedem Modell den Hersteller oder gar die Katalognummer angeben zu können. Modellbahner sind Individualisten, und selbst bei den Käufern von Noch-Fertiganlagen sind wohl keine zwei Anlagen identisch. Bei mir sind keine zwei Güterwagen identisch (zumindest nicht, nachdem sie auf dem Küchentisch lagen), das ist doch nur konsequent.

Die schönen Modelle. Die sind doch viel zu schade!

Nicht wirklich. Ich würde es ja verstehen, wenn ein Sammler es bedauerte, daß ich das Objekt seiner Begierde zerschnipple; wenn er es genug begehrt, finden wir ja auch sicher 'ne Lösung. Alte Märklin-Wagen hab ich auch noch nicht geopfert, die kosten ja mehr als die neuen von Roco, und außerdem sägt sich Zinkdruckguß eher schlecht. Aber das hält mich nicht davon ab, irgendwelche pseudolimitierten neuen Sondermodelle zum Zweck des Umbauens anzuschaffen; das, was daraus entsteht, gefällt mir eben besser als das Ausgangsmodell. Und schließlich ist es mein Geld.

Genau besehen, sind aber auch viele der angebotenen Modelle eben nicht so toll. Oft sind es nur Kleinigkeiten, die stören: Rocos Billigserie mit ihren abstehenden Bremsbacken, Fleischmanns K 06 mit den Knubbelsignalhaltern oder Märklins Om 12 mit der falschen Bremserbühne – nur ein paar Handgriffe trennen sie vom überzeugenden Modell. Schlechte Modelle werden gut, gute werden besser. Und ganz schlechte werden ausgeschlachtet.

Was das kostet... Wahnsinn.

Zugegeben, wenn man z.B. aus Neuwagen-Teilen einen Gms 45 bauen möchte, dann kostet das schon ein paar Mark mehr, als einen fertig gekauften Gms 54 aufs Gleis zu stellen. Aber wenn man erstmal Geschmack dran gefunden hat, bildet sich ganz von selbst eine Sammlung überzähliger Wagenteile in der Bastelkiste, von der es sich gut zehren läßt.

Zum Beispiel baue ich demnächst einen Sm 14 aus einem Roco-G 10-Fahrgestell um. Das sind 17 Mark für den Roco-G 10. Teuer? Nein, denn der G 10-Wagenkasten bekommt ein ungebremstes Untergestell eines (zu kurzen) Roco-Omm 37 aus der Bastelkiste. Und dessen Wagenkasten hab ich zerschnippelt – die Türen sind jetzt in einem Piko-Omm 34, die Stirnwände hab ich gebraucht, um aus handgebremsten Roco-Om 21 normale zu machen, weil ich deren Fahrwerke wiederum z.B. unter Trix-V 23 und (zu lange) Fleischmann-Vh 14 (nach dem Umbau V 90) gebaut habe... Es entwickelt sich ein Kreislauf, und irgendwann kommt fast alles wieder in irgendeinem Wagen zu neuen Ehren. Wenn's bis dahin zehn Jahre in der Kiste lag – wen stört's?

Außerdem gibt's ja auch noch den Gebrauchtwagenmarkt als ergiebige Quelle und ebenso dankbaren Resteverwerter. Als Märklins Omm 55 rauskam, habe ich in großem Stil (naja, fünf Wagen waren's aber bestimmt) Roco-Omm 52-Wagenkästen mit Märklin-Untergestellen an Märklinisten verhökert: die hatten ihre Relex-Kupplungen und Wechselstromräder, ich hatte schmale Fahrwerke und (nachgerüstete) Kurzkupplungen, und alle waren glücklich. Oder Roco-O 10 oder X 05 ohne Handbremse: Fahrwerkstausch mit gebremsten Roco-K 25, die man (da zu kurz) als ungebremste Wagen prima verhökern konnte. (Die Beispiele sind etwas älter, die entsprechenden Umbauten mittlerweile auch bei mir ausgemustert, aber die Idee sollte klar sein. Aktuelle Beispiele? Naja, man könnte auf die Idee kommen, z.B. Märklin-Om 12 mit Roco-G 10-Fahrwerken umzurüsten und die Reste zu verkaufen, aber ehrlich: soo schlechte Fahrwerke, daß der Aufwand lohnt, gibt's heutzutage kaum noch.)

Und die paar Standard-Zurüstteile, die man nachkauft, kosten echt nicht die Welt. Feste Puffer als Drehteil von Weinert (Federpuffer sind Luxus) kosteten, als ich mich zuletzt bevorratet hab, einsachtzig pro Satz; Klein-Modellbahn-Ersatzteile sind billiger. Signalhalter, Pufferbohlen, Zettelhalter – alles komplett kostet pro Wagen sicher keine 5 Mark. Pöh. :-)

Von Griffstangen oder Tritten ganz zu schweigen. 20 Meter Messingdraht 0,4 mm kosten bei Modulor 2 Mark 50, das sind pro Wagen wieviel, ein Pfennig oder zwei? Weiß ich erst, wenn meine erste Rolle in ein paar Jahren mal alle sein wird. Und wer gegossene Weinert-Rangierertritte anbaut... der mag damit glücklich werden; mir reicht auch ein bißchen Messingdraht und ein Stückchen Polystyrol-Platte, fertig aus. Aus PS-Platten und -profilen kann man eh fast alles machen, und die sind wirklich preiswert zu haben, schließlich sind Architekturstudenten nicht eben reich.

Aber der Zeitaufwand!

Naja, wenn Du zuwenig Zeit hast, dann hast Du mit der Modellbahnerei klar das falsche Hobby. Das heißt, eigentlich hast Du dann mit jedem Hobby das falsche Hobby, wenn man's mal so sieht. Klar – wer nicht die Muße hat, an etwas so Schnödem wie einem offenen Güterwagen ein paar Abende rumzubasteln, weil dessen Bremserbühne blöd aussieht, den werde ich nicht ohne weiteres überzeugen können. Ich kann nur dazu raten, es vielleicht mal zu versuchen. Als Einstieg eignet sich unsere Reihe "Zwischendurch gepfuscht" , wo nur Umbauten hinkommen, die an einem Tag zu schaffen sind.

Und irgendwann hast Du dann Blut geleckt und baust Dir Deine Schienenwagen selber, weil es eben keine zu kaufen gibt.

Vielleicht sollte man auch andersrum rechnen, was Zeit- und Kostenaufwand betrifft. Also nicht: Dieser Güterwagen hat x Mark und y Arbeitsstunden gekostet, sondern: Für x Mark hatte ich beim Umbau dieses Güterwagens y Stunden Entspannung. Dann stellt sich nämlich heraus, daß Güterwagenfrokeln ein viel günstigeres Hobby ist als z.B. Billiardspielen oder Kinobesuch. Und auch als das Supern von Lokomotiven.

Und als Zugabe bekommt man einen individuellen Güterwagenpark zusammen, der halbkundige Besucher schon mal in Verwirrung stürzt: seit wann gibt's denn von Fleischmann eine fünfachsige Leigeinheit? "Och, die ist von 1999, glaubich." – "Sonderserie?" – "Umbau." Wartet nur ab, bis ich endlich die Seite über meinen Liliput-Röwa-Roco-Piko-Omm 35 gebaut hab :-)

Warum ausgerechnet Güterwagen?

Irgendwie hat sich's so ergeben. Zu den frühen Zeiten meiner Märklinbahn (von der ich mich mit 17 getrennt habe) war ich nicht so wild auf Güterwagen. Klar, ich hatte welche, schöön von Primex mit Blechfahrgestell und quietschbunten Aufbauten, und die Modelle der Roco-Einfachserie, von denen ich heute grad noch den Om 21 und den Gm 39 brauchbar finde und den Rest allenfalls aus Nostalgie noch durchgehen lasse, erschienen mir seinerzeit wie eine Offenbarung: man konnte sogar die Federblätter zählen!

Dann kam die Entdeckung von Stefan Carstens' Serie "Güterwagen auf Maß gebracht" in den alten MIBA-Heften in der Stadtbibliothek, und es ging los. Und irgendwie hat es in den 15 Jahren seitdem nicht wieder nachgelassen.

Güterwagen sind aber auch dankbare Umbaukandidaten. Das hat mehrere Gründe:

Okay, ich probier's. Womit sollte ich anfangen?

Als erstes solltest Du einige einfache, billige Güterwagenmodelle "supern": Griffstangen, Tritte und Sprengwerke durch freistehende, korrektere oder filigranere Teile ersetzen, abstehende Bremsbacken in die Radebene bauen, nach Geschmack altern, beladen... So verlierst Du die (begreifliche!) Scheu vor dem "Kaputtmachen" des Modells und gewinnst Vertrauen in Deine Fähigkeiten für Deinen ersten Umbau.

Wenn Du wie ich der Epoche 3 anhängst (oder der Epoche 2, also der Reichsbahnzeit), dann ist der Roco-Om 21 (bzw. "Breslau") ein guter Anfang. Er kostet selbst neu nicht die Welt (als Sonderaktion teilweise unter 8 Euro), ist fast maßstäblich und recht brauchbar detailliert, und man kann viel daraus machen: geschweißte Om 31, Om 12 der letzten Bauserien oder von der DB vollaufgearbeitete Wagen dieses Typs, vielleicht sogar ehemals österreichische, etwas längere Om 19. Die Anleitung dazu kommt demnächst hier, wenn ich mal wieder welche umgebaut habe; einstweilen muß ich noch auf den Carstens verweisen. Eine Übersicht über Om-Wagen und lohnende Frokeleien daran gibt's aber schon.

Der R 20, zu dem ich die erste Seite hier gemacht habe, eignet sich ebenfalls gut als Einstieg, auch wenn's nicht so aussieht. Das Basismodell ist ebenfalls billig, der Umbau einfach und das Ergebnis wirklich beeindruckend und auch für Nicht-Modellbahner in der Familie nachvollziehbar. Das ist für den häuslichen Frieden nicht unwichtig.

Aber eigentlich macht's erst dann richtig Spaß, wenn man nicht nach Anleitung baut. Die dazu nötigen Zeichnungen findet man ebenfalls im Carstens – oder in Büchern; ein Besuch der örtlichen Stadtbibliothek sei angeraten.

"Der Carstens", von dem ich hier dauernd schreibe, ist Stefan Carstens' Buchreihe "Güterwagen", deren dritter Band über offene Wagen der Regelbauart noch beim MIBA-Verlag zu haben ist und auf den Basteltisch wirklich jedes Modellbahners gehört. (Die ersten Bände sind leider vergriffen.) Dort findest Du unzählige Anregungen; für mehr Schwärmerei siehe unsere Besprechung. Auch die erwähnte Serie "Güterwagen auf Maß gebracht", an die Du recht günstig über die MIBA-CD-Ausgabe 1979-88 kommen kannst, oder andere Artikel in Fachzeitschriften sind als Initialzünder geeignet.

Und nicht zuletzt gibt's diese Seiten hier – vielleicht findest Du ja was Passendes. Viel Spaß beim Suchen und Versuchen!


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Zuletzt bearbeitet am 3. August 2003   Technische Probleme? Mail an Webmaster