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Das Leid mit den Preisen

Von Erik Meltzer <ermel@modellbahnfrokler.de>

Modellbahn wird teurer, aber gleichzeitig auch erheblich besser. Die Fortschritte in der Fertigung werden von den gestiegenen Anforderungen mehr als aufgefressen, das Produkt wird teurer. So weit, so schlecht.

Die Frage ist, wäre das vermeidbar?

Ich denke nein. In einem so engen Markt, wie es der Modellbahnmarkt nun mal ist (die Anzahl der Vorbilder ist begrenzt), müssen sich die Hersteller nun mal voneinander abheben, um überleben zu können. Vor Jahrzehnten taten sie das in erster Linie durch Inkompatibilitäten – mal im Ernst, soo viel nahmen sich Trix, GFN und Mäh in den 60ern nicht! –, heute müssen sie's dank NEM woanders tun. Aber wo?

Bei der Vorbildwahl? Das wird eng, auch wenn's bei den Länderbahnmodellen ganz gut klappt: Württemberger bei Brawa, Sachsen bei Piko, Preußen bei GFN, Bayern bei Trix.

Bei der Materialwahl? Seien wir doch mal ehrlich: außer Mäh und seinen Evangelisten ist es den meisten doch egal, ob das nun Plaste oder Druckguß ist, solange es ordentlich aussieht und sich nicht verzieht. ;-)

Und sonst? Da bleibt doch fast nur noch die Detaillierung – oder die Fahreigenschaften, aber auch da kommen alle allmählich auf denselben – guten – Level. Was bleibt also?

Den Konkurrenten zu übertrumpfen. Größer, schwerer, schneller, spektakulärer – kein Vorbild kann zu extrem oder zu aktuell, nicht mal "zu noch nicht ausgeliefert" sein, wenn man Beachtung braucht. Das, nicht die Detaillierungswut, sehe ich als das Hauptproblem. Man könnte mit einem Bruchteil der in doppelt und dreifach entwickelte Kriegsloks, Taurusse und Glaskästen gepumpten Ressourcen eine solide Modellpolitik machen, Vorhandenes überarbeiten, Lücken schließen – Modellbahnen bauen. Aber dafür reichen die Käufer nicht.

Und so gibt's da draußen heute eben mehr Modelle der württ. K, bay. s 3/6 oder BR 45 als von ganz normalen Austauschbau-Güterwagen, mehr Rheingolds als Silberlinge, mehr Reichsregierungs- als Umbauwagen. Man mag den Herstellern keinen Vorwurf machen – wenn sich's verkauft, wären sie ja doof, es nicht zu bauen –, aber etwas kurzsichtig scheint's dann doch, denn wenn alle dieselben Exoten haben, wird am Ende die persönliche Kreativität unterdrückt.

Warum? Weil man dann irgendwann sich entscheiden muß: will man den Exoten artgerecht einsetzen? Dann ist das Thema der eigenen Modellbahn in engen Grenzen festgelegt. Oder will man den Exoten mit einer Ausrede betreiben? Dann, und auch beim Einfach-nicht-drum-Kümmern, droht der eigenen Modellbahn die Beliebigkeit. Zweigleisige Hauptbahn mit abzweigender eingleisiger Nebenbahn, irgendwo in Deutschland, ganz nach Wunsch in Epoche 2, 3 oder 5. So wie der Nachbar.

Gerade die Allerweltsfahrzeuge, 50, P8, 41, 211 genauso wie Umbauwagen, Silberlinge, Eilzug- oder preußische Abteilwagen und eben auch Gr 20, Rlmms 58, Gbs 254 oder Om Ludwigshafen, beflügeln die Phantasie: weil man sie eben auf der Hamburger Hafenbahn, der OHE oder im Elsaß genauso sinnvoll einsetzen kann wie meinetwegen an der Nord-Süd-Strecke oder irgendwo in Franken. Sie diktieren nicht das Thema, sie passen zu jedem Thema und fordern so dazu heraus, sich eins zu suchen – und das kann dann ganz nach Geschmack exotisch oder normal sein.

Der eine Hersteller, den ich da mal positiv erwähnen muß, ist Fleischmann. Die bauen in tadelloser Qualität immer wieder Allerweltsmodelle, auf die man eigentlich nicht gewartet hat, die man aber trotzdem immer gebrauchen kann. Das liefert natürlich kein Material für Presseerklärungen voller Selbstbeweihräucherung, aber es ist solide Modellpolitik.

Märklin/Trix stehen da in krassem Gegensatz zu. Die kommen mir von Jahr zu Jahr mehr vor wie Franklin Mint: sie bedienen einen Markt, den sie sich selbst geschaffen haben und der sich selbst für was Besseres hält. Schön für sie, fragt sich nur, wie lange das gut geht. Modellbahnen sind eben keine Prestigeartikel, "zu wissen es ist Zinkdruckguß" macht wenig Eindruck vor "normalen" Menschen – und wenn genug abspringen, weil's ihnen wirtschaftlich schlecht geht und der 5er BMW weniger verzichtbar ist als die Rasselbahn, dann stürzen die Gebrauchtpreise in denselben Strudel wie der Absatz der Neuware. Ich wünsche es ihnen nicht, bewahre – aber ich sehe die Gefahr durchaus.

Das Problem ist: nur von den vorbildorientierten Modellbahnern kann ein Großserienhersteller nicht leben, dafür sind die Serien nicht groß genug hierzulande. In den USA ist das anders: weniger verschiedene Vorbilder, aber mehr Bahngesellschaften und damit Varianten. Und ein größerer Markt zudem.

Also müssen andere Käuferschichten her: Gelegenheitskäufer und Spielbahner, wie es Roco mit Hobby Line, Lima, Märklin mit Primex oder eben jetzt Piko versuchen/versucht haben; Militaria-Sammler, wie Liliput sie anzusprechen scheint; oder eben Image-Käufer, wie Märklin/Trix sie sich züchtet. Das ist nix Verwerfliches, und nichts davon ist an sich besser oder schlechter als das andere; die Frage ist nur eben, ob und wenn ja wie lange es klappt.

Letztlich ist meine pessimistische Prognose, daß es nicht klappt – nix davon, zumindest nicht auf Dauer. Der schon zu sehende Konzentrationsprozeß wird sich fortsetzen, der eine oder andere wird pleite machen, und am Ende werden Kleinserienhersteller mit einst groß gewesenen Namen hin und wieder mal ne alte Form abstauben und ein paar hundert Modelle auflegen, vielleicht auch ein stark geschrumpftes Restprogramm mühsam am Leben halten als Anhängsel einer Produktpalette, mit der in einer anderen Branche das nötige Geld verdient werden wird.

Aber das wird nicht das Ende des Modellbahnhobbies sein.

Denn ein paar Verrückte wie die Leser dieser NG wird es immer geben, und die werden die Fahne hochhalten. Einige werden die alten Sachen bewahren, reparieren, restaurieren, und andere werden neue Sachen bauen – für sich allein oder in kleiner Serie.

Das muß nicht zutreffen – meine Kristallkugel ist letzten Endes auch nicht zuverlässiger als Deine –, aber so denke ich, daß es kommen wird: die große Zeit der Modellbahn, die in jedem Kinderzimmer stand, ist vorbei, und mit ihr werden die großen Paletten bezahlbarer Modelle verschwinden.

Was bleiben wird, ist Raritäten horten – nix anderes machen heute die Tin-Plate-Bahner: die kläglichen Reste des einstigen Massenspielzeugs erhalten – oder selbermachen – nix anderes machen heute die Schmalspurer, TT-Bahner, H0puristen und Nuller: bauen, was es nicht zu kaufen gibt.

Und ich finde diese Aussicht auch gar nicht mal so schlimm.


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Zuletzt bearbeitet am 25. Juli 2004