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Die Epochen

Von Erik Meltzer <ermel@modellbahnfrokler.de>

Vorwort

Nicht jeder Modellbahner kümmert sich darum, ob, was sich auf seiner Anlage so tummelt, beim Vorbild einander je begegnet ist. Auch wenn die wenigsten die Modelle quer durch die Jahrhunderte würfeln – ein wenig Kompromißbereitschaft zeigen die meisten. Auch wir.

Um nun aber nicht auf die Frage nach der eigenen "Modellzeit" jedesmal in längere Erklärungen verfallen zu müssen, gibt es die Einteilung in Epochen. Diese Idee ist ansich noch recht jung; sie kam erst in den 60er und 70er Jahren allmählich auf, zu Anfang der Epoche 4 sozusagen. Aber ich greife vor.

Natürlich hat diese Einteilung auch Nachteile, indem z.B. die Übergangszeiten vernachlässigt bzw. nicht in Erwägung gezogen werden; trotzdem hat sie sich bewährt. Das Folgende ist meine Sicht der Dinge – in Details mag es Meinungsverschiedenheiten geben. Die abschließenden Kommentare zu jeder Epoche sind bewußt ketzerisch; wem's nicht paßt, der überlese sie bitte.

Epoche 1 – die zehner Jahre

Die Überschrift vereinfacht die Sache natürlich. Genaugenommen liegt der Beginn der Epoche 1 weiter zurück, verliert sich sozusagen im Dunkel des 19. Jahrhunderts. Den "Adler", der die erste deutsche Eisenbahnlinie zwischen Nürnberg und Fürth seit 1835 befuhr, zählt man meist nicht dazu (manche sprechen hier von einer Epoche 0, vermutlich alles Informatiker). Eigentlich spielt's auch keine Rolle, weil der Anteil von Modellen und Anlagen, die das 19. Jahrhundert darstellen, wohl im Promillebereich liegen dürfte.

Das Ende der Epoche 1 ist dagegen klar definiert: die Gründung der Deutschen Reichsbahn 1920. Dargestellt wird auf Epoche-1-Anlagen aber meist die Zeit kurz vor dem 1. Weltkrieg. Da waren die Züge noch bunt, was die Industrie, allen voran Fleischmann und Trix, als verkaufsfördernd erkannt hat.

Schade eigentlich: der Übergang zur Epoche 2 wäre auch interessant gewesen, gerade wegen der Vielzahl der verschiedenen Lackierungen und Beschriftungen in der Anfangsphase der Reichsbahnzeit.

Typische Merkmale der Epoche 1: Länderbahnen mit farbenfroher Lackierung, kaum Drehgestellwagen, keine durchgehende Bremse, geringe Geschwindigkeiten, kurze und leichte Fahrzeuge. Opas Eisenbahn auf der Gratwanderung zwischen verkitschter Gute-Alte-Zeit-Verklärung und realistischer Darstellung des Gewesenen. Die Epoche für Selbstbauer: Epoche 1 nur aus Fleischmann-Sonderserien ist wie nur Modelljahr 1998 ff. auf den Straßen von heute.

Epoche 2 – die dreißiger Jahre

Auch hier wieder die Vereinfachung: die Epoche 2 erstreckt sich über gut zweieinhalb Jahrzehnte, von 1920 bis 1948, dem Zeitpunkt der Gründung der DB. Hier bedient man sich deshalb einer Untereinteilung; das ergibt auch Sinn, denn viel haben diese Zeiten aus Eisenbahnersicht nicht miteinander zu tun.

Die Epoche 2a ist gekennzeichnet durch das allmähliche Auftauchen der ersten Einheitsdampflokomotiven, Reisezugwagen in Ganzstahlbauweise und Güterwagen der Austauschbauart. Nichts sonderlich Dramatisches eigentlich, eine harmonische Zeit; "die goldenen Zwanziger" eben.

Nationalsozialistische Verkehrspolitik und aufkommende Schweißtechnik führten in den Dreißigern zu einem erheblichen Gesichtswandel der Eisenbahn; stromlinienförmige Lokomotiven und Reisezugwagen, schnellauffähige Güterwagen, Schnelltriebwagen etc., spektakuläre Vorbilder also und eine deshalb recht beliebte Zeit, die Epoche 2b.

Bis alles in Scherben fiel. Die verbleibenden Jahre von 1939 bis 1948 nachzubauen traut sich kaum einer. Ob man das begrüßen oder bedauern soll, lassen wir mal dahingestellt; wenn's einer machte, hieße das dann jedenfalls Epoche 2c.

Typische Merkmale der Epoche 2: Einheitlich grüne Reise- und braune Güterzüge, deutlicher Anstieg der Geschwindigkeiten, Fahrzeug- und Zuglängen, erstmals Elektrotraktion im großen Stil, einheitliche Bezeichnung auch der ex-Länderbahnfahrzeuge, Standardisierung. Die Eisenbahn wird modern, und den Mief der tausend Jahre schweigen wir mal lieber tot. Schwierig: darf das Hakenkreuz an die Lok? Die Epoche der Gewissensnöte in Vorbild und Modell, auch ohne Panzerloks und Eisenbahngeschütze.

Epoche 3 – die fünfziger Jahre

Genaugenommen erstreckt sich die Epoche 3 bis Ende der 60er Jahre, als die Computernummern eingeführt wurden. Das ist eigentlich auch das Problem der Epoche-3-Bahner, an dem auch ich leide: in diesen 20 Jahren hat die Eisenbahn ihr Gesicht komplett verändert. Von der Länderbahndampflok zum Intercity, vom Drehschemel- zum Containertragwagen: alles Epoche 3 und doch aus völlig verschiedener Zeit.

Natürlich machen gerade diese Gegensätze diese Epoche so interessant. Aber wegen der fließenden Übergänge schließe ich so mehr Kompromisse, als ich eigentlich will. Klar, auch hier gibt's 'ne Untereinteilung, aber an die hält sich kaum einer. Auch ich nicht.

Die Epoche 3a reicht von der DB-Gründung bis etwa 1957. 1956 war die Klassenreform, bei der die 3. Wagenklasse abgeschafft wurde; 1958 folgte die Einführung des 3. Spitzenlichts bei Zügen. Beides zusammen veränderte das Bild der Eisenbahn in kurzer Zeit entscheidend; dazu kam noch die Einführung eines helleren Grüntons für Reisezugwagen und die Abschaffung der Zonenbeschriftung bei Güterwagen.

Die Epoche 3b, wohl die beliebteste aller Modellbahnepochen, läßt sich nicht eindeutig weiter unterteilen. Sie reicht von den späten Fünfzigern bis in die späten Sechziger; in dieser Zeit änderte sich das Erscheinungsbild erneut rapide, aber ohne daß man das an einem Jahr festmachen könnte. Die Gefahr dabei ist, daß in kaum einem anderen Jahrzehnt so viele alte Fahrzeugtypen verschwanden und neue aufkamen; man verzettelt sich da schnell.

Typische Merkmale der Epoche 3: Die Züge werden wieder bunter: blaue 1.-Klasse-Wagen, TEEs, Güterwagen mit Werbeanschrift. Die Dieseltraktion beginnt der Dampflok zuzusetzen, der Neubau von Dampfloks endet, im Güterwagenpark beginnt Europas Einheit mit UIC-Einheitswagen. Fast alle Länderbahnfahrzeuge verschwinden, und das Nebenbahnsterben setzt ein. Trotzdem die Epoche der Warmduscher: was fast alle machen, fällt am leichtesten. Vom Neuanfang übers Wirtschaftswunder in die Autogesellschaft: Modellbau-Chancen ohne Ende statt der ewigen V 200 vorm Blauen Enzian.

Epoche 4 – die siebziger Jahre

Die Einführung der EDV-gerechten Bezeichnung aller Fahrzeuge, bei den Wagen sogar europaweit genormt, mag unbedeutend erscheinen. Da sie aber fast überall gleichzeitig (plus/minus ein paar Jahre) passierte, bietet sie sich als Epochengrenze an.

Die ersten Jahre waren sonst ziemlich unauffällig, weswegen kaum jemand die Epoche 4a nachbaut: da kann man auch gleich Epoche 3b machen, was angesichts des Industrieangebots auch leichter fällt...

Anfang bis Mitte der 70er dann der Kulturschock: Bahngesellschaften in ganz Europa stellen fest, daß es noch andere Farben gibt als Dunkelrot, Dunkelblau, Dunkelgrün und Güterwagenbraun. Letzteres bleibt zwar, aber alle anderen weichen bei der DB jenem Ozeanblau/Beige, das so scheußlich ist, daß es im Modell schon wieder toll wirkt. (Inzwischen spielt im Zeitalter der alle paar Jahre wechselnden Farbschemata wohl auch Nostalgie eine Rolle.) 1977 war dann im Westen bei den Dampfloks "Feuer aus", und spätestens jetzt war die Epoche 4b angebrochen.

Wann endet nun die Epoche 4? Darüber kann man sich streiten: Drehstromtechnik, Neubaustrecken, neue Farben, ICE, Wende, Privatisierung, nochmal neue Farben? Egal. All das zusammen rechtfertigt jedenfalls den vorerst letzten Epochenwechsel.

Typische Merkmale der Epoche 4: Computernummern, alles so schön bunt hier, Ende der Dampflokzeit, galoppierendes Nebenbahnsterben, Güter gehören auf die Straße. Europaweite Vereinheitlichung der meisten Güter- und der ersten Reisezugwagen, Aussterben der Vorkriegs-E-Loks, die Bahn verliert ihre Ecken und Kanten. Die Epoche des Niedergangs: ein Massenverkehrsmittel im Individualzeitalter. Krampfhafte Versuche, modern und attraktiv zu wirken, machen es zusammen mit der allgegenwärtigen Rationalisierung schwer, Nostalgiegefühle zu entwickeln.

Epoche 5 – die neunziger Jahre

Ihr habt sie erlebt, was soll ich erzählen? Fahrzeugseitig die Fortsetzung der Trends aus der Epoche 4, also die zügige Ausmusterung alles Schönen; betriebsseitig das Aussterben allen Güterverkehrs diesseits des Ganzzuges. Langweilig, möchte man meinen – wenn da nicht zwei Dinge wären.

Zum einen die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten und ihrer Bahnen, die in Ost wie West den Fahrzeugpark gründlich aufgemischt hat. Zum anderen aber die Vielzahl der Privatbahnen, die immer mehr Leistungen auch auf den ehemaligen Staatsbahnstrecken fahren. Loks und Triebwagen aus fast aller Herren Länder, in einer Farbenpracht, die selbst die Epoche 1 in den Schatten stellt: war in den Epochen zuvor das Sammeln aller Triebfahrzeugbaureihen, die auf deutschen Gleisen rollten, noch vorstellbar, so dürfte es für die Epoche 5 unmöglich sein – erst recht, wenn man den Museumsdampf-Boom seit den 150-Jahr-Feiern der 80er mitberücksichtigt. Daß das für den Modellbahner auch reizvoll sein kann, doch, das kann ich schon verstehen.

Typische Merkmale der Epoche 5: Vom Zug zum Produkt: Von CityBahn bis InterRegio alles schön corporate-identisch und die 50er-Jahre-Technik unter buntem Lack verborgen. Der Kuchen wird kleiner, aber es wollen mehr Leute ein Stück: die Staatsbahnzeit neigt sich dem Ende zu. Und alle paar Jahre neue Farben, wir leben in einer schnellebigen Zeit. Die Epoche für Fahrzeugsammler: Betrieb, was ist das? Eine Paradestrecke reicht, wenn man nicht den Platz für ein Güterverteilzentrum hat, und wer sammelt schon Container? Aber schön bunt ist's, und man spart Weichenantriebe – Nebengleise sind out.

Epoche 6?

Als die DB in nie gekannter Innovationswut das gerade erst eingeführte und noch lange nicht auch nur annähernd komplett umgesetzte Farbschema "Rot mit Lätzchen, rot-lila-grau, blau-hellblau-grau, grün-hellgrün-grau, orange-gelb-grau" durch das sehr einfallsreiche "Verkehrsrot über alles" ablösen zu müssen glaubte, begannen in den Leserbriefspalten der einschlägigen Fachpresse die Rufe nach einer "Epoche 6".

Dazu möchte ich aus dem Großen Sprach- und Fremdwörterbuch des Lexikographischen Instituts München zitieren:

Epoche 1. bedeutungsvoller Zeitabschnitt; [...] epochemachend ein neues Zeitalter einleitend, sehr bedeutend; [...]

Reality check: Kinners, es ist bloß 'ne andere Farbe. Kein Krieg, keine Revolution, keine europäische Vereinheitlichung. Wenn sie dereinst die SECF (Societé Européenne des Chemins de Fer) gründen, können wir nochmal drüber reden, okay?


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Zuletzt bearbeitet am 3. August 2003   Technische Probleme? Mail an Webmaster