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Modellbahn in der Nazizeit – vertretbar?

Von Erik Meltzer <ermel@modellbahnfrokler.de>

Vorwort

Die meisten Modellbahnfrokler sind zwar Epoche-3-Bahner, aber ich erlebe wieder und wieder eine unselige Diskussion darüber, ob es denn moralisch vertretbar sei, die Zeit von 1933-1945 (im Folgenden vereinfachend "Epoche 2" genannt, genaueres steht hier) auf der Modellbahn nachzubilden. Meine Meinung dazu: Ja natürlich. Und die Argumente möchte ich hier einmal zusammenfassen – wissend, daß das auf Modellbahnfrokler.de eigenlich nichts zu suchen hat, aber keine bessere Idee habend.

Letztlich laufen alle Gegenreden auf zwei Grundsätze hinaus: wer die Symbole der Nazizeit (Hakenkreuze oder "Pleitegeier" an Eisenbahnfahrzeugen) nachbilde, der glorifiziere oder verharmlose doch wenigstens die, die hinter ihnen standen; und wer auf diese Nachbildung verzichte, aber erkennbar Epoche 2 baue, der verleugne oder verniedliche die Greuel, die damals begangen wurden.

Meiner Meinung nach sind beide Grundsätze falsch. Der Reihe nach:

"Zeigen ist Verherrlichen"

Ein Blick über den Zaun zu den Militärmodellbauern zeigt, wie entspannt man mit Symbolen von Schreckensregimes an Fahrzeugen aller Art umgehen kann. Sicher, unter denen wie unter den Modellbahnern mag es schwarze Schafe geben – aber jeden, der ein Modell mit Hakenkreuz drauf besitzt, mit in diese Schublade zu sortieren, tut den allermeisten davon unrecht. Ich kenne mehrere davon persönlich und kann versichern, daß das alles andere als Nazis sind. Was man ja zum Teil auch schon daran erkennt, daß amerikanische oder russische Modelle mit den entsprechenden Anschriften danebenstehen – auf einer Modellbahn tun sie das zugegebenermaßen eher nicht.

Ich will jetzt gar nicht hochtrabend von "Dokumentation der Geschichte" oder sowas daherschwafeln, das ist i.d.R. ein Anspruch, dem ein Hobbyist eh nicht gerechtwerden kann, will oder muß. Aber m.E. sollte es erlaubt sein (nicht nur juristisch, sondern auch moralisch), jedes Fahrzeug genau so nachzubauen, wie es damals eben aussah.

Gut, wer Eisenbahngeschütze, Lazarettzüge oder mit Juden beladene G-Wagen nachbaut, der wird auch von mir ein paar schiefe Blicke kassieren – und sich im letzteren Fall auch nicht mehr mit technischem Interesse an G-Wagen rausreden können, in ersterem schon eher mit dem an V 188 und riesigen Tiefladewagen –, aber wenn die Fahrzeuge des Regelverkehrs eben Pleitegeier trugen oder Hakenkreuze an der Kesselverkleidung, wenn sie frostgeschützt waren oder feldgrau lackiert, dann war das eben so, und dann ist ihre Nachbildung so eben auch okay.

Jemand schrieb mir, ein Epoche-2-Bahner müsse "verdammt gute Gründe" haben, wolle er nicht schief angesehen werden. Ja, mag sein, daß er mehr und bessere Gründe braucht als ein Epoche-3-Bahner (allein schon, um sich vom Verdacht prophylaktisch freizuhalten) – aber Gründe wie "mich reizt die Mischung aus alter Länderbahn- und Einheitsbauart, die es so nach dem Krieg nicht mehr gab", "mich interessiert der Verkehr im nichtgeteilten Berlin der 30er" oder auch "ich finde Stromlinienloks einfach geil" seien dann bitte auch zu akzeptieren. Wem DR-Rekoloks gefallen, der baut DDR in den 60er Jahren – braucht der auch "verdammt gute Gründe", um nicht als Sozialist dazustehen? Ich denke nicht.

"Nicht zeigen ist Verleugnen"

Noch viel perfider als das Ablehnen von Nazisymbolik, das man ja mit Geschmacksgründen noch nachvollziehen kann, finde ich aber Argumente wie "Du baust Epoche 2? Dann mußt Du aber auch Menschen mit Judensternen, 'Kauft nicht bei Juden'-Schmierereien, brennende Synagogen und SS-Truppen nachbauen". Was für ein Quatsch!

Denn dieselben schiefen Blicke wie der Judendeportationszugnachbauer von oben würde bei mir auch jemand kassieren, der in anderen Epochen eine schwere Unfallkatastrophe, ein "Ausländer raus!"-Geschmiere, eine blutige Demonstration, einen Kriegsschauplatz oder die Szene eines Terroristenattentats nachzubauen für nötig hielte – oder eben in der Epoche 2 die im letzten Absatz genannten Dinge. Und da liegt der Hund begraben: niemand von uns baut doch das Schlimmste nach, das in der nachgebauten Zeit passiert ist!

Und wenn jetzt jemand kommt und sagt, Epoche 2 ohne solche Sachen sei verlogen – was ist dann Epoche 3 ohne Verkehrsunfall (16.000 Tote pro Jahr!), Epoche 1 ohne Kinderarbeit oder Epoche 5 ohne Skinhead-Überfälle? Heile Welt, klar, natürlich. Bauen wir doch (fast) alle. Warum soll das ausgerechnet in der Epoche 2 nicht erlaubt sein?

Gegenprobe: Was ist mit Rußland 1950, Argentinien 1980, China 1990? Darf man das auch alles nicht nachbauen?

Fazit

Jeder sollte bauen dürfen, was er will. Wenn er dabei eines anderen Geschmacksgrenzen überschreitet (ob nun per Hakenkreuz an der Lok oder per Blutbad an der Unfallstelle), dann ist das zwar schade, aber nicht zu ändern – und das sollten beide Beteiligten auch akzeptieren können.

Die pauschale Verdammung der Nachbildung einer ganzen Epoche ist aus meiner Sicht aber nicht zu tolerieren. Meines Erachtens ist Totschweigen (und nichts anderes wäre das) nie eine Lösung. Wer Epoche 2 baut, und erst recht wer auf die Nazi-Symbole nicht verzichten mag, der sollte sich mit dieser Zeit schon auseinandergesetzt haben – allein schon, um Rückfragen von Kritikern angemessen sachlich entgegentreten zu können –, aber solch Beschäftigung mit der dargestellten Epoche gehört zur Modellbahnerei eigentlich sowieso immer dazu.

Wer aber aus Geschmacksgründen auf die Symbole und die schlimmen Szenen verzichtet (was ja jedem freigestellt ist), dem kann man m.M.n. genausowenig mit dem Verlogenheitsargument an die Karre fahren wie einem, der andere Epochen ohne ihre schlimmen Szenen und häßlichen Anblicke nachbaut. Bewußt provokatives Beispiel: Eine Stromlinien-01.10 ohne Hakenkreuz ist genauso falsch wie ein Omm 52 ohne Beulen – sowas gab's nur ein paar Wochen lang –, aber deswegen ist es nicht verlogen, auf Hakenkreuz wie Beulen zu verzichten.

Aber das kann man doch gar nicht vergleichen!

Ja, das höre ich in dieser Diskussion öfter. Klar – sowas Schlimmes wie die Nazizeit hat Europa kein zweites Mal erlebt, zumindest nicht seit es Eisenbahnen gibt (und hoffentlich auch nicht solange es sie gibt). Notwendigerweise tu ich mich mit Vergleichen also schwer. Aber das ändert genau gar nichts an meiner Überzeugung, daß Betrachtung – und dann eben auch gefühlvolle Darstellung – des Gewesenen nicht grundsätzlich mit der Moralkeule erschlagen werden darf. Ich würde nie eine Kriegsszene, einen KZ-Bahnhof oder auch nur einen Unfall mit Verletzten nachbauen – aber wenn jemand solches tut und erklären kann, warum, bitte, dann soll er eben. Es muß mir ja nicht gefallen. Anderen mag schon die Lok mit Pleitegeier, der Panzer auf dem Flachwagen oder der Kübelwagen im Straßenbild sauer aufstoßen – aber auch hier, so meine Bitte, gelte: wenn der Erbauer die Gründe nennen kann, dann lasse man ihn gewähren.

Und wenn er's nicht kann, ist immer noch Zeit genug, ihn in die passende Schublade zu stecken. Einige wenige werden da sicher auch hingehören. Dieser Artikel sollte lediglich eine Lanze brechen für jene, die unschuldig dort landen.


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Zuletzt bearbeitet am 15. Mai 2002