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Das Bremserhaus

Oder: Nichts hält länger als ein Anachronismus

Von Erik Meltzer <ermel@modellbahnfrokler.de>

Geschichte

Die Frühzeit

Zu Anfang der Eisenbahnzeit waren Bremsen weniger wichtig als heute: die Geschwindigkeiten waren geringer, die anderen Verkehrsteilnehmer hatten mehr Hirn als Motor, und man war wahrscheinlich froh, daß die Fuhre sich überhaupt bewegte. Demnach genügte es, wenn nur die Lok oder allenfalls einige Wagen per Handkurbel gebremst werden konnten. Während bei Reisezügen die durchgehende Druckluftbremse schon ausgangs des 19. Jahrhunderts langsam an Boden gewann, blieb es bei den Güterzügen noch bis in die 20er Jahre bei den Handkurbeln: auf Pfeifsignale der Lok reagierten die Bremser mit Anlegen oder Lösen der Bremsen, und bei 30 km/h reichte das auch völlig aus.

Diese Bremser waren schon ziemlich arme Schweine. Zu Anfang saßen sie völlig ungeschützt auf offenen Sitzen, und so mancher ist im Winter dort erfroren. Wetterschutz kam erst in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts in Gebrauch; in Preußen, sparsam wie immer, war's bei den offenen Wagen nur ein einseitig offener Unterstand, bei gedeckten Wagen und bei den anderen Länderbahnen schon früh ein richtiges Häuschen mit zwei Türen: das Bremserhaus war geboren.

Nicht, daß das Leben der Bremser nun ein Zuckerschlecken gewesen wäre, aber den Wert selbst einer einseitig offenen, ungeheizten Holzhütte kennt, wer im Winter Bus fährt, vom Haltestellenhäuschen. Auch wenn man da als Bremser noch raus mußte, um die außenliegende Kurbel zu bedienen, war's doch sicher ein Riesenunterschied zum Bibbern im Freien – und die Leute auf den G-Wagen werden sich trotz fehlender Heizung (abgesehen vom Taschenofen) vergleichsweise wie Könige gefühlt haben. Trotzdem ist es gut, daß dieser Hundejob dann bald abgeschafft wurde, wenn auch sicher nicht aus humanitären Gründen.

Nichts hält länger ...

Der Anachronismus aus der Titelzeile bestand nun darin, daß, obwohl nach dem 1. Weltkrieg die Luftdruckbremse auch bei Güterwagen massiert zum Einsatz kam und spätestens ab 1925 nur noch mit Luft gebremst wurde, obwohl also die Bremser und damit ihre Häuser über waren und letztere beim Rangieren nur im Weg rumstanden, wenn man an die Bremskurbel wollte, die Bremserhäuser nicht nur nicht alsbald weggerissen, sondern sogar bei neuen Wagen weiter angebaut wurden – ja, schlimmer noch, es wurden noch diverse neue Bauarten entwickelt, und das bis etwa Mitte der 50er Jahre! Die erste Generation von Gl- und BT-Wagen und die Prototypen von Einheits-G-, Omm- und Kmmks-Wagen hatten noch welche.

Weggeruppt wurden die Dinger vereinzelt im 2. Weltkrieg, im großen Stil wohl aber erst ab Mitte der 50er; Wagen mit hochliegendem Bremserhaus wie G 10 oder Vh 14 dürften 1960 nur in Ausnahmefällen überlebt haben, da hier der Unterhaltungsaufwand besonders hoch war. Wagen mit Bremserhaus auf dem Rahmen müßte es in den frühen 60ern noch in geringen Zahlen gegeben haben.

Bauarten

Alle Abbildungen sind Modellfotos. Sie sind auf Franks Molkereimodul entstanden und können durch Anklicken auf ansehnlichere Größe gebracht werden.

Preußische Länderbahnbauart für gedeckte Flachdach-Wagen

Bremserhaus eines (unfertigen) G 02 (Modell Piko/Roco/Liliput) Bauart: das Dach teilweise überragend mit Aufstiegsleiter an der Stirnwand, Handläufe am Wagenkasten, Türen mit Fenstern an beiden Seiten, weitere Fenster an beiden Stirnseiten, zunächst Flachdach, später Satteldach mit rundem First, Kurbel innen, Material Holz.

Verwendung: z.B. Gw 01/Magdeburg, G 02/Hannover/Stettin, Vwh 03/Altona, Vh 04/Altona.

Abbildung: G 02 (noch unfertiger Umbau aus Piko-G 02 mit Fahrwerk vom Roco-G 10 und Bremserhaus vom Liliput-Pseudo-G 10).

Preußische Länderbahnbauart für andere Wagen

Bremserhaus eines Om 04 (Modell Fleischmann) Bauart: stehend auf Bremserbühne, einseitig offen, ohne Tür, außermittig links, Kurbel im Freien rechts, Material teils Blech, teils Holz, passend zum Wagenkasten.

Verwendung: z.B. Gl 06/Dresden, O 01/Frankfurt, O 02/Schwerin, Om 04/Ludwigshafen/Münster, K 06/Wuppertal.

Abbildung: Om 04 (Umbau aus Fleischmann-Om 12 mit Bremserhaus vom Fleischmann-O 02).

Verbandsbauart für gedeckte Flachdach-Wagen

Bremserhaus eines G 10 (Modell Märklin) Bauart: Der Länderbahnbauart sehr ähnlich, jedoch Handläufe an der Außenseite, Satteldach mit spitzem First.

Verwendung: G 10/Kassel/München, Vh 14/Altona.

Abbildung: G 10 (leicht gesupertes Märklin-Modell).

Verbandsbauart für andere Wagen

Bremserhaus eines Gllh 12 (Modell Fleischmann) Bauart: stehend auf Bremserbühne, Türen mit Fenstern auf beiden Seiten, anfangs mittig, später bei verschiedenen Bauserien teils rechts, teils links außermittig, Kurbel innen mit Kurbelkasten aus Blech, Material Holz.

Verwendung: Gl 11/Dresden, O 10/Halle, O 11/Nürnberg, Om 12/Breslau/Essen, K 15/Wuppertal, R 10/Stuttgart, SS 15/Köln, H 10/Regensburg, G 90/Posen (polnische G-Wagen mit Flachdach hatten im Gegensatz zu deutschen bereits das Bremserhaus auf dem Rahmen!).

Abbildung: Gllh 12 (Leig-Einheit auf Basis des Gl 11, leicht gesupertes Fleischmann-Modell).

Austauschbauart

Bremserhaus eines Gmhs 30 (Modell Klein Modellbahn) Bauart: Der Verbandsbauart sehr ähnlich, aber keine offenen Ecksäulen an der pufferbohlenseitigen Wand, Material Holz.

Verwendung: G 20/Kassel, Gl 22/Dresden, Glt 23/Dresden, O 20/Halle, Om 21/Königsberg, K 25/Wuppertal, H 20/Regensburg, aber auch an geschweißten gedeckten Wagen, z.B. Gms 30/Oppeln, Gmhs 31/Oppeln, Glmhs 38/Dresden, Ths 32/Berlin und andere Kühlwagen.

Abbildung: Gmhs 31 (noch unbehandeltes Modell von Klein Modellbahn).

Geschweißte Bauart für offene Wagen

Bremserhaus eines Omm 33 (Modell Liliput) Bauart: stehend auf Bremserbühne, Türen auf beiden Seiten, mittig, Kurbel innenliegend, Material Blech mit halbrundem Dach (einteilig mit beiden Stirnwänden).

Verwendung: Omm 33/Villach, Kmr 35/Wuppertal, Kesselwagen der Bauarten Deutz und Uerdingen, aber auch Prototypen von Neubau-Omm-Wagen (Omm 37/Duisburg (dort ganz links und Kurbel außen), Omm 51, Omm 53).

Abbildung: Omm 33 (noch unbehandeltes Liliput-Modell).

Kriegsbauart

Bremserhaus eines Omm 35 (Modell Liliput/Röwa/Roco) Bauart: stehend auf Bremserbühne, sehr einfach, Türen auf beiden Seiten, ohne Fenster, ganz an der linken Bühnenkante, Bühne überragt Puffer, freiliegende Kurbel rechts außermittig, Material Holz.

Verwendung: Omm 34/Klagenfurt, Omm 35/Klagenfurt, Omm 37/Duisburg.

Abbildung: Omm 35 (Umbau aus Liliput-Omm 33 mit verkürztem Fahrwerk vom Röwa-Gms 54 und verlängertem Bremserhaus vom Roco-Omm 37). Das Bremserhaus ist hier bereits ohne Türen dargestellt, wie es in der Nachkriegszeit gerade bei dieser Bauart die Regel war.

DB-Neubauart

Bremserhaus eines Glmhs 50 (Modell Klein Modellbahn) Bauart: stehend auf Bremserbühne, eckig, Türen auf beiden Seiten, runde Türfenster, mittig, Kurbel außen rechts, Material Blech.

Verwendung: Glmhs 50, BTms 51, Omm 52, Kmmks 51-Prototypen.

Abbildung: Glmhs 50 (noch unbehandeltes Modell von Klein Modellbahn).

"Zurückgebaute" Bremserhäuser

In der Epoche 3 gab es anfangs ein wildes Sammelsurium der verschiedensten Bremserhausbauarten (zu den oben genannten kommen ja noch nichtpreußische Länderbahn- und ausländische Bauarten hinzu, tschechische am Gms 39 etwa), die zudem bei der Ausbesserung der Kriegsschäden z.T. deutlich verändert worden sind: viele Wagen hatten keine/verschlossene oder andere/kleinere (z.T. runde) Türfenster bekommen, oder die Türen waren ganz abgebaut, so daß man durchs Bremserhaus kucken konnte; letzteres war vor allem bei der Kriegsbauart fast normal.

G 10 mit rückgebautem Bremserhaus (Modell Märklin) Beim Wegruppen bzw. "Zurückbauen" ist folgendes zu beachten: Bei hochliegendem Bremserhaus (gedeckte Flachdachwagen) ist die ganze Handbremse, also Bremserhaus, Leiter, Kurbel etc. ersatzlos abgebaut worden; die Wagen erkennt man nur noch an dem einseitig vorstehenden Rahmen und der anderen Anordnung der Kastenstreben an der Stirnwand. Relativ häufig gab es aber auch Wagen, bei denen das Bremserhaus nur verkürzt wurde (der über das Dach ragende Teil entfiel, dafür wurde ein Blech-Kurbelkasten angebaut).

Abbildung: G 10 mit zurückgebautem Bremserhaus (noch unbehandeltes Märklin-Modell), links zum Vergleich ein G 10 ohne Handbremse vom selben Hersteller. Deutlich zu erkennen: die vorstehende Pufferbohle des ehemaligen Bremserhauswagens.

Gl 11 mit rückgebautem Bremserhaus (Modell Fleischmann) Bei normalem Bremserhaus auf einer Bremserbühne blieb diese meist erhalten, die Kurbel lag dann im Freien. Die hinteren Ecksäulen des Bremserhauses blieben als Kastenstützen bzw. bei R-Wagen als feste Rungen stehen (so es denn welche hatte, Blechbremserhäuser wie beim Omm 33 kamen ganz weg, aber da waren eh Kastenstützen hinter, so'n Blechding hält ja nix aus ;-).

Abbildung: Gl 11 mit zurückgebautem Bremserhaus (umgebautes und gesupertes Fleischmann-Modell).

Ausnahme: Wagen der Länderbauart mit dem kleinen, einseitig offenen Bremserhaus und freiliegender Kurbel. Hier wurde i.d.R. nichts mehr abgebaut, sondern der ganze Wagen entsorgt; im Carstens findet sich allerdings ein Foto eines Om 04, bei dem Bremserhaus und Handbremskurbel fehlen, das Bühnengeländer (ohne die dazwischen eingefaßten Bretter) aber noch da ist und statt der Aufstiegstritte unter der Bühne einfache Rangierertritte angebracht sind.

Bremserhaus-Modelle in H0

Bremserhäuser der preußischen Länderbahn- wie Verbandsbauart liefert Fleischmann in hervorragender Ausführung samt stimmiger Bühne als Ersatzteil zu akzeptablen Preisen. Die Austauschbauart findet sich bei alten Piko-Wagen (Om 21, Säuretopfwagen etc.), bei Klein Modellbahn am Gmhs 31 oder bei Weinert; die geschweißten Runddach-Bremserhäuser gibt's bei Piko (am Kesselwagen) oder, stark verkümmert, am Liliput-Omm 33. Das Kriegsbremserhaus findet sich, allerdings zu kurz, am leider verflossenen Roco-Omm 37, und das DB-Neubau-"Sardinendosen"-Bremserhaus gibt's bei Klein Modellbahn am Glmhs 50 und bei Roco am BTms 51.

Leider bauen viele Hersteller schlechte und/oder falsche Bremserhäuser und/oder Bühnengeländer an sonst stimmige Wagenmodelle. Hier bietet sich dem Modellbahnfrokler ein reiches Betätigungsfeld, wenn auch nur selten ein einfacher Tausch genügt; irgendwann hat man aber fast immer was Passendes in der Bastelkiste ...


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Zuletzt bearbeitet am 3. August 2003   Technische Probleme? Mail an Webmaster