KK 15 von Märklin
Aus der Reihe "Modellkritik"
Von Tibor Weidner
<tibor@modellbahnfrokler.de>
und Erik Meltzer
<ermel@modellbahnfrokler.de>
Bild 1: Der KK 15 von Märklin (ungebremste Version aus der Sonderserie "Hochofen-Kalk" 46194).
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Warum Märklin die O- und K-Wagen der Verbandsbauart (DB O 11 und K 15) als Neukonstruktion ins Programm genommen hat, obwohl sie sich mit den als Fleischmann-Modell verfügbaren, sehr ähnlichen preußischen Wagen O 02 und K 06 nicht besonders viel nehmen, darüber sollte man wohl nicht groß nachdenken. Wenigstens hat man sich in Göppingen für die letzte Version mit 3,50 m Achsstand entschieden; das erleichtert dem Frokler den Bau solcher Wagen doch erheblich, und insofern kann man den Modellen doch ihre Berechtigung am Markt nicht ganz absprechen.
Erster Eindruck
Dafür, daß das Modell über ein Jahrzehnt jünger ist als der Fleischmann-K 06, enttäuscht es: Zwar sind freistehende Eckgriffstangen angespritzt und Stirngriffstangen sogar aus Draht eingesetzt, trotzdem wirkt das Fahrzeug vergleichsweise spielzeughaft, wozu auch die eher uninspirierte werksseitige Alterung durch Aufsprühen weißer Farbe beiträgt.
Bei näherer Betrachtung (siehe nebenstehendes Bild 2, zum Vergrößern draufklicken) entschädigt das Modell mit für Märklin-Verhältnisse gut gestalteten, schmalen Achshaltern und einer sehr sauberen und korrekten Beschriftung. Allerdings fallen dabei auch einige, nein, eigentlich muß man sagen: viele, zu viele unnötige Fehler ins Auge, die sich indes überwiegend relativ leicht beheben lassen.
Die Fehler im Einzelnen
Kursiver Text kennzeichnet unsere Vorschläge zum Beseitigen des jeweiligen Fehlers. Ob man die alle befolgen mag, sei dahingestellt ;-)
- Der Handbremswagen (Best.-Nr. 46036) hat leider eine falsche Achsanordnung: Beim Vorbild sitzen die Achsen relativ zum Wagenkasten um 100 mm Richtung Bremserbühne versetzt, beim Modell liegen sie symmetrisch unter dem Wagenkasten! Dieser Fehler macht im Modell zwar nur 1,15 mm aus, aber ob etwas symmetrisch oder asymmetrisch ist, sieht man auch bei solch kleinen Abweichungen.
Die Korrektur dieses Fehlers ist aufwendig, aber lohnend. Außerdem gibt es bei der Gelegenheit die Möglichkeit zu einer Variante. Entweder versetzt man nämlich beide Achsen um besagte 1,15 mm (durch Kürzen des Fahrwerks am einen und Verlängern am anderen Ende, dank der Kastenstützen am Wagenkasten kein Problem), oder man versetzt nur die nicht-bühnenseitige Achse um 3,3 mm nach innen und erhält so einen Wagen mit 3,30 m Vorbild-Achsstand. Diese liefen auch in KK 15-Einheiten häufig gemischt mit den späteren Wagen mit 3,50 m Achsstand.
- Wagen mit Handbremse, aber ohne Bremserhaus (Best.-Nr. 46036): Die Stirnwandprofile auf der Handbremsseite fehlen.
Die Anbringung von Stirnwandprofilen ist eigentlich kein Problem, es sind die abgeschnittenen Eckprofile des Bremserhauses. Sie weisen auf einem Foto sogar noch Nietlöcher auf!
- Die Bindeösen sind vom O 11 übernommen, K-Wagen haben aber keine Bindeösen.
Die Entfernung der Bindeösen dürfte kein Problem sein.
- Bei den vorhandenen Stirnwandprofilen fehlt die Nachbildung der Nieten.
Die nachträgliche Anbringung von Nieten ist schwierig, hier wäre es wahrscheinlich das einfachste, die Stirnwandprofile zu entfernen und neue anzubringen, z.B. von Weinert.
- Die Ausführung der Aufstiegstritte entspricht nicht den Fotos und
Zeichnungen im Carstens. Der Handbremswagen hat auf der Nichthandbremsseite korrekte Aufstiege bis aufs Dach. Der Nichthandbremswagen dürfte aber nur auf einer Seite Aufstiege haben, der Märklin-Wagen hat aber zwei identische Stirnwände. Desweiteren müßte das Wagenende, welches eine Aufstiegsmöglichkeit bietet, auf beiden Seiten Rangiertritte unter dem Untergestell haben, das Modell hat insgesamt nur zwei diagonal gegenüber (bzw. einen beim Handbremswagen).
Die saubere Entfernung der Trittstufen ist sehr schwierig, so daß man hier evtl. mit einem Kompromiß leben muß. Eine geringe Chance sehe ich in dem Beweis, daß es Wagen mit beidseitigem Aufstieg gegeben haben könnte. Besonders ärgerlich ist dieser Fehler insbesondere deshalb, weil die Handmuster im Katalog (auch bei der Sonderserie Nr. 46194) die korrekte (einseitige) Anordnung aufweisen. Die Anbringung von Rangiertritten ist nicht weiter schwierig.
- Die Griffe an den Stirnwänden, die über das Dach herausragen, sind aus Metall und extra angesetzt. Die eine Bohrung sitzt richtigerweise im Stirnwandprofil, die zweite Bohrung müsste im Eckprofil sitzen, befindet sich aber mitten im Stirnwandblech. (Im Innern des Wagens sind die Enden umgebogen, das wird der Grund für diese Anordnung sein.)
Wenn man sowieso neue Tritte und Stirnwandprofile anbringt, kann man natürlich das falsche Loch zukleistern und korrekte Löcher und neue Griffstangen anbringen. Dabei kann man dann auch gleich etwas dünneren Draht verwenden, als dies Märklin tat.
- Der Griff von der Stirnwandmitte auf den Dachfirst fehlt.
Die zusätzliche Anbringung dieses Griffs ist Routine.
-
Der Wagen müßte (für den Aufstieg aufs Dach) sieben Aufstiegstritte haben, hat aber nur vier. Drei befinden sich korrekt an der Stirnwand, einer befindet sich unter dem Untergestell, d.h. es fehlen der andere Rangierertritt unter dem Untergestell (s.o.) und zwei Tritte am Untergestell direkt schräg oberhalb der Puffer. Das sind die Tritte, die auch beim Fleischmann-Modell des K/KK 06 fälschlicherweise am Wagenkasten sitzen; siehe Carstens bzw. das nebenstehende Bild 3. Es zeigt rechts den Märklin-, links zum Vergleich den Fleischmann-Wagen; zum Vergrößern wie immer draufklicken.
Die Anbringung eines zusätzlichen Rangiertritts ist Routine; man sollte der Einheitlichkeit halber aber alle erneuern. Die Tritte am Untergestell dürften auch keine großen Probleme bereiten. Hier ist das Fleischmann-Modell zwar vollständiger, aber wenn man auf die korrekte Anordnung Wert legt, hat man damit trotzdem mehr Aufwand.
- Die übrigen Maße stimmen im großen und ganzen, die Proportionen sind gut getroffen, die Buckelung der Bleche ist überzeugend. Einziger Kritikpunkt ist der zu breite Wagenkasten (ca. 1 mm).
Keine Änderungsmöglichkeit, fällt (mir) aber auch nicht so sehr auf.
- Die Beschriftung ist korrekt, der Zettelhalter ist leider nur aufgedruckt (weil bei der KK-Einheit nur einseitig vorhanden!).
Die Anbringung eines Zettelhalters z.B. von Weinert ist kein Problem.
- Die Einheit ohne Handbremse (aus dem Set Best.-Nr. 46194) besteht aus zwei Wagen ohne Bremse, aber sie trägt trotzdem zwei Bremsecken, was bedeutet, daß sie eine Druckluftbremse haben sollte.
Sollten die Bremsecken die Ausrüstung mit korrekten Eckgriffen überlebt haben, ist entweder eine davon zu überpinseln oder eine Druckluftbremse nachzurüsten. Auch wenn nur ein Wagen der Einheit eine solche hat, bekommen beide Wagen Bremsecken für gebremste Wagen, aber nur am jeweils äußeren Wagenende. Achtung: Falls Du einen un-handgebremsten Wagen mit 3,0 m Achsstand gebaut hast (s.u.), darf dieser keine Druckluftbremse bekommen daß diese da nicht reinpaßte, war beim Vorbild einer der Gründe für die Achsstand-Verlängerung auf 3,50 m.
- Bei meinem Modell war das Dach des Handbremswagens falsch herum montiert, es steht nur auf der Nicht-Handbremsseite über.
Das Umdrehen des Daches ist die leichteste Übung.
Weitere mögliche Frokeleien
- Anbringung von freistehenden Handgriffen auf dem Dach sowie auf den Klappen und von Anschlagprofilen an der Scharnierseite der Klappen. Riesenaufwand, vor dem ich (Erik) mich bis jetzt noch bei jedem K-Wagen gedrückt habe ...
- Ersatz der seitlichen Handgriffe durch korrekt geformte (Fotos siehe Carstens). Das bietet sich eh an, da ohnehin einige der Eckgriffe fehlen.
- Anbringung einer schöneren Handbremskurbel (z.B. Weinert). Alternativ kann man auch das ganze Bühnengeländer durch ein Fleischmann-Ersatzteil z.B. vom Om 12 ersetzen, das ohnehin stimmiger aussieht als das Märklin-Geländer und vermutlich sogar weniger kostet als die Weinert-Kurbel.
- Neulackierung und -beschriftung, insbesondere wenn einem die Alterung nicht gefällt (z.B. könnte man den Wagen zwar im Tonverkehr einsetzen, komisch sieht es aber m.E. schon aus, wenn er ohne Reinigung vom Kalktransport käme).
- Anbringung eines Löseventils und von Lösezügen am Untergestell.
- Anbringung von Schlußscheibenhaltern.
- Um einfach zu Wagen mit 3,0 m Achsstand zu kommen, kann man mit relativ geringem Aufwand die Fahrwerke der Märklin- und Fleischmann-Wagen gegeneinander austauschen. So könnte etwa unter Verwendung eines Fleischmann-O 02-Fahrwerks ohne Handbremse eine KK 15-Einheit mit je einem Wagen mit langem und kurzem Achsstand entstehen; der Rest findet sich dann zu einem O 11 mit 3,50 m Achsstand zusammen.
- Schönere Räder sind gerade bei den ungebremsten Wagen dringend nötig. Fast perfekt passen RP-25-Radsätze aus dem Hause Liliput.
Fazit
Eine lange Liste ist da zusammengekommen. Eigentlich ist das für eine Neukonstruktion aus diesem Jahrtausend, bei der keine Rücksicht auf vorhandene Teile genommen werden mußte, ein ziemlich jämmerliches Ergebnis. Die bekannt gepfefferten Märklin-Preise tun ein übriges befriedigen kann das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht.
Abgesehen von der Sache mit den Aufstiegs-Tritten und -Griffen gelten alle genannten Kritikpunkte natürlich auch für die O 11 aus dem Zehnerpack, in dem sie unverständlicherweise ausschließlich angeboten wurden. Hier ist das Preis-Leistungs-Verhältnis indes erträglicher, da die O-Wagen nicht nur weniger Fehler haben, sondern auch weniger kosten.
Bild 4: Die Sonderserie "Hochofen-Kalk" 46194 enthält auch diesen Kmm 36; mehr darüber ein andermal.
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Gekauft habe ich (Erik) meinen Wagen in dem Set "Hochofen-Kalk" auch nur, weil dieses im Angebot war (36 EUR für drei Wagen, das geht dann schon wieder) und ich den ebenfalls in diesem Set befindlichen, oben abgebildeten Kmm 36 auch ganz gut gebrauchen konnte. Der hat zwar auch reichlich Fehler im neu konstruierten Fahrwerk (der Aufbau ist Trix von anno knack und bis auf die ausnahmslos angespritzten Griffstangen sehr ordentlich), z.B. falsche Federböcke und Achslager und auch zuviel Achsstand, aber das kann man ja durch Anpassen eines anderen Fahrwerks ändern und das sonst recht gelungene Märklin-Fahrwerk unter einem Omm-53-Wagenkasten, für den es stimmig ist und wohl auch konstruiert wurde, weiterverwerten.