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Betriebssysteme

Von Erik Meltzer <ermel@modellbahnfrokler.de>

Hä? Computer?

Keine Panik, hier geht's nicht um Windows, Linux oder MacOS. Aber die Glaubenskriege in der Modellbahnwelt sind deswegen nicht weniger heftig. Sie drehen sich (zumindest in H0) um drei Punkte: Schienen und Leiter, Wechsel- oder Gleichstrom, analog oder digital. Es folgt der Versuch einer sachlichen Wertung.

In den dreißiger Jahren war alles schön übersichtlich: drei große Hersteller von elektrischen Tischeisenbahnen in H0, drei zueinander inkompatible Systeme. Zwei davon gibt's noch heute im Massenmarkt: Dreischienen-Zweileiter-Wechselstrom von Märklin und Zweischienen-Zweileiter-Gleichstrom vom Rest der Welt. Und dann war da noch Trix-Express mit Dreischienen-Dreileiter-Gleichstrom, das ist inzwischen aber fast ausgestorben.

Von Schienen und Leitern

Leiter (nicht Leitern) sind das, was den Strom leitet. Schienen sind das, was man sieht. Beim Vorbild gibt's, S-Bahnen mit ihren Stromschienen mal außen vor, derer zwei: 'ne linke und 'ne rechte. Auf der Modellbahn, wo ja auch ohne Oberleitung der Zug elektrisch fahren soll, muß also der Strom durch die linke hin zur Lok und durch die rechte wieder zurück. Das geht – bis man 'ne Kehrschleife baut, dann brutzt's.

Um solcherlei Unbill zu vermeiden, benutzt das Märklin-System drei Schienen: zwei elektrisch zusammengeschaltete Fahrschienen (die also zusammen einen Leiter bilden) für den einen und eine mittige Stromschiene für den anderen Pol, macht zusammen drei Schienen und zwei Leiter. (Heutzutage nehmen sie statt der Mittelschiene Punktkontakte in den Schwellen, aber hier geht's ums Prinzip.) Das ist schön symmetrisch, aber optisch ein Kompromiß.

Und Trix-Express? Pfiffig: wenn man schon drei Schienen hat, kann man auch drei Leiter haben und so zwei Loks auf einem Gleis unabhängig steuern. Der Strom fließt also durch die eine Außenschiene zur einen Lok und durch die andere Außenschiene zur anderen; von beiden geht's dann durch die Mittelschiene zurück. (Im Auto teilen sich auch alle Lampen dieselbe Masse-Verbindung, ohne sich ins Gehege zu kommen: die Karosserie. Geht also.) Diesen Vorteil erkauft man sich mit den Nachteilen der beiden anderen Systeme: Asymmetrie und kompromißbehaftete Optik.

AC/DC oder: Wechselstrom? Is mir doch gleich!

Gleichstrom fließt immer in dieselbe Richtung, Wechselstrom ist sich unschlüssig und ändert dieselbe alle paar Hundertstelsekunden. Für uns bedeutet das: mit Gleichstrom entscheidet der Trafo, wie rum die Lok fährt – Strom fließt andersrum, Motor dreht andersrum, Lok fährt in die andere Richtung, alles ganz simpel. Bei Zweischienen-Zweileiter fährt die Lok sogar immer in dieselbe Richtung: Trafoknopf nach rechts, Lok nach rechts. Bei Dreischienen-Zweileiter wäre das Trafoknopf nach rechts, Lok vorwärts (die Lok kann ja nicht sehen, wie rum sie auf dem Gleis steht, ist ja symmetrisch). Zwei Dampfloks Kessel an Kessel vor einem Zug geht da also nicht; kein Wunder, daß es sowas nie serienmäßig gab.

Mit Wechselstrom ist das nicht so einfach: da muß die Lok sich merken, wie rum sie fahren soll. Dazu haben Wechselstromloks einen Fahrtrichtungsschalter (einst ein Relais, heute irgendwas Elektronisches), dem man per Überspannung sagt: so, jetzt andersrum! Problem: die Lok vergißt das (meistens) nicht, aber der Mensch am Trafo manchmal. Dafür kann man prima Frontalzusammenstöße nachstellen, ist ja auch vorbildgerecht. ;-) Bei Märklin in Spur 1 gab's auch mal Zweischienen-Zweileiter-Wechselstrom, aber wenn ich da drüber nachdenk, wird mir immer so schwummerig – vergessen wir's, okay?

Wat is en Digital?

Da stelle mer uns janz dumm, un dann sare mer so: ...nein, lieber doch in Beinahe-Hochdeutsch. Also: man kann so 'ner Lok natürlich noch viel mehr zum Merken geben als bloß die Fahrtrichtung. Zum Beispiel die Geschwindigkeit.

Statt per Spannungsänderung allen Loks das Tempo zu diktieren, liegt bei Digitalsystemen immer volle Spannung am Gleis. Da, wo früher der Trafo war, ist jetzt ein kleiner Computer, der die Wünsche seines Herrn und Meisters in Befehle umsetzt und diese ins Gleis morst. Und in jeder Lok sitzt ein noch kleinerer Computer und lauscht auf diese Morsezeichen: ist das, was da gerade erzählt wird, für mich, und wenn ja, was soll ich tun? Schneller oder langsamer werden, Licht an, Rauchgenerator aus, pfeifen, abkuppeln? Den Möglichkeiten sind keine Grenzen gesetzt.

Nachteile gibt's natürlich auch. Abgesehen von den Kosten und der Komplexität (die Fehlerquellen nach sich zieht) ist's zum Beispiel nicht trivial, ein Signal dazu zu bringen, daß die Loks vor ihm anhalten. Strom abschalten geht nicht, dann verfallen die Loks in Amnesie und vergessen, wie schnell sie fahren sollten. Außerdem gehen dann die Lichter aus, und die Lok bremst viel schneller als normalerweise. Ältere Decoder (so heißen die Lok-Computerchen) bieten zudem bloß 14 oder 27 Fahrstufen, was beim feinfühligen Rangieren unangenehm auffallen kann. Und wie immer, wenn Computer im Spiel sind, gibt's auch potentielle Kompatibilitätsprobleme.

Rad und Schiene

Leider ist in H0 das Fahren mit maßstäblichen Rädern auf ebensolchen Schienen noch nicht besonders üblich, um's mal wohlwollend zu formulieren. Das hat praktische wie auch historische Gründe.

Wenn wir Märklin und Trix-Express mal außen vor lassen, ist die meistverwendete Rad-Schiene-Norm in H0 die NEM 361. Sie spezifiziert Spurkränze von rund einem Millimeter Höhe und ein Radsatzinnenmaß von 14,3 mm. Die Spurkränze und die Radbreite sind um Faktor 3 bzw. 2 größer als bei maßstäblicher Umsetzung des Vorbilds; entsprechend klobig sehen diese Räder aus. Amerika hat es da etwas besser; deren Norm, NMRA RP 25, legt die Spurkranzhöhe auf nur max. 0,64 mm fest, und das funktioniert dort klaglos – seit vielen Jahrzehnten. Da RP 25 in der Praxis ziemlich NEM-kompatibel ist (auf modernen Gleissystemen wie Peco-Streamline oder Pilz-Elite läuft beides), gewinnt es aber auch auf unserer Seite des großen Teichs langsam an Verbreitung. Als erster Großserienhersteller bietet übrigens Liliput kostenlose RP 25-Tauschradsätze beim Fahrzeugneukauf; ein Angebot, das man nutzen sollte!

Nun ist aber RP 25, obwohl schon viel schöner, immer noch etwa doppelt so klobig wie das Original. Die Versuche, eine feinere Norm zu etablieren, sind Legion: Proto87, Proto:87, H0pur (R), H0T... Daß es da auch die eine oder andere Feindschaft und gelegentliche Leitartikel-Scharmützel in der Fachpresse gibt, ist schon selbstverständlich. Schade; der Sache dienlich ist das bestimmt nicht. Aber immerhin, es geht langsam vorwärts: sogar eine serienmäßig produzierte Weiche für all diese Systeme gibt's inzwischen (von Teichmann auf Pilz-Elite-Basis).

Fazit

Das sollte jeder für sich selber ziehen. Ich fahre Zweischienen-Zweileiter-Gleichstrom, analog. Das ist das meistverwendete System und für mich der beste Kompromiß. Für andere mag das anders aussehen. Bei Rad und Schiene gehe ich langsam von NEM zu RP 25 über, auch wenn das momentan eher eine Absichtserklärung ist als eine Tatsache – zumindest werden jedenfalls alle Module etc. RP 25-kompatibel gebaut werden.

Meine ersten Kontakte mit dem Fremo haben allerdings dafür gesorgt, daß mein analoges Weltbild ein wenig ins Wanken geraten ist: Betrieb, wie die Jungs ihn machen – mit Lokführern, die den Zug auf seinem Weg begleiten, und mit Turnhallen voll Modulen – ist mit Analogtechnik schlicht nicht machbar. Und weil diese Art von Betrieb einen Heidenspaß macht, bin ich auch schon halb davon überzeugt, daß ich meine Loks digitalisieren müssen werde, wenn ich damit beim Fremo fahren will... na, schaun mer mal.


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Zuletzt bearbeitet am 3. August 2003   Technische Probleme? Mail an Webmaster