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Der Möbelwagen

Aus der Reihe "Eriks Eisenbahn"

Von Erik Meltzer <ermel@modellbahnfrokler.de>

Der Mercedes L 10000-Möbelwagen von der Seite

Einer der Handwerksbetriebe auf meiner geplanten Regalmodellbahn ist der Stellmacher – oder im Volksmund "Möublwogntischlää" – Semmel; dieser alteingessene Familienbetrieb ist einer der wenigen, die die Umstellung von der traditionellen Holzfachwerkbauweise zu der neumodischen Stahltechnik geschafft haben, ohne dabei ein Riesenkonzern zu werden. Drei bis vier Möbelwagen und Anhänger in verschiedenen Fertigungsstadien stehen da eigentlich immer auf dem Hof, meist natürlich modernere als der hier gezeigte Mercedes L 10000. Wie es dazu kam, daß der hier steht, sei nun beschrieben.

Ins Büro von August Semmel, der gerade die Frachtpapiere für den Bahnversand eines neuen MAN F8-Hängerzugs nach Kassel (der erste eines Großauftrags: fünf Züge!) fertigmacht, kommt Wilhelm Lange, ein örtlicher Spediteur. Folgender Dialog entspinnt sich:

Der Mercedes L 10000-Möbelwagen von schräg vorn Lange: Moin August.
Semmel: Moin Wilhelm, was gibt's?
Lange: August, kennstu eigentlich noch den oulen Zehntausender, den dein Vadder mir domols gebaut hat?
Semmel: Zehntausender?
Lange: Mercedes L 10000.
Semmel: Achso, der große Dreiachser?
Lange: Genau.
Semmel: Sach bloß, den hastu immer noch?
Lange: Klar habbich den immer noch, das is Vorkriegstechnik: nich kaputtzukriegen, der oule Kämpe.
Semmel: Freut mich! (fragender Blick)
Lange: Blouß der Aufbau macht mir Sorgen, weißtu... der is nich mehr ganz dicht.
Semmel: Naja, das kannstu nach ... wie alt is der eigentlich?
Lange: Laß ma nachdenken, '37 is der Willi geboren, '33 der Friedrich, das muß... laß mich nich lügen... dat muß im zweiunddreißiger Johr ween sin.
Semmel: Dann is der jez also 27 Jahre alt, das is doch nich schlecht.
Lange: Nee, isses ja aunnich, ich will ja auch nich meggern oder reklamieren oder so. Die Problematik is eine andere: ich kann mir keinen neuen leisten, aber ich will das Umzuchsgeschäft aunnich aufgeben.
Semmel: ...und jetzt willstu den repariert haben.
Lange: Nee, mit reparieren is da nich viel, das ham wer ja auch immer selber gemacht, weißtu mein Geselle, der Dieter, der war ma Tischler. Aber das is jez alles vermoudät do drin, die Polsterung fängt an zu schimmeln, un die Außenbleche rosten duääch.
Semmel: Au au, das is nich gut.
Lange: Nee, und deswegen frog ich di nu: kannstu da'n neuen Aufbau draufschwarten?
Semmel: (überlegt) Naja, Willem, Laster is Laster. Obbich nu'n neuen Büssing LU 11 aufbau oder'n oulen Mercedes L 10000, is im Prinzip ersma egal.
Lange: Ja wie, könnt ihr da noch mit um?
Semmel: Wie?
Lange: Ich mein, ihr macht das doch heut all in Stahl und Aluminjum, odä nich? Ich hab grod bei di aufn Houf mo in den LP 334 gekuckt, das sieht alles gaanz anners aus.
Semmel: Ja schon, aber dat goiht auch auf'm oulen Schassi.
Lange: Ja nee, ich will aber wieder ein aus Holz.
Semmel: Hoooolz? Wieso das denn, Willem?
Lange: Ich weiß aunnich, aber irgendwie paßtas besser zu den oulen Zehntausender, weißtu? Und die gepolsterten Wände und so... da hab ich mi dron gewöhnt, in meim Alder mach ich koine Experimente mehr.
Semmel: Najaaa... (und er weiß, den oulen Lange umzustimmen, das is nich, das hat schon Vaddern nich gekonnt)
Lange: Außerdem habbich im "Lastaudo" gelesen, daß die neuen Aufbauten weichere Federung brauchen, und die hatter nich.
Semmel: (zuckt die Schultern) Willem, das wird aber nich billich.
Lange: Weißich, August, das sachstu ja immer. Dein Vadder hat domols zwölfeinhalbtausend Maak genommen.
Semmel: Domols hatten Stift aber auch blouß 13 Maak die Woche verdient, ich weiß das, ich war domols einer.
Lange: Na, ich bring den oulen Kämpen die Tage mal rum, wegen Kostenvoranschlach.
Semmel: Mok dat, Willem. Schön' Tach noch!

Und so kam es, daß zwei Monate später auf'm Houf von Semmel ein '32er Mercedes L 10000-Möbelkoffer mit neuem Holzfachwerk-Gerippe stand, in den der Stift Hans gerade die letzten Bodenbretter einbaut.

Der Mercedes L 10000-Möbelwagen von schräg hinten

Modellbau

Den L 10000 von Wiking hatte ich noch aus Urzeiten rumliegen, bereits in dem geschmackvollen Lila mit beigen Kotflügeln lackiert. Nicht lachen, das sind immerhin fast "Fliegender Hamburger"-Farben! Als Pritsche gefiel er mir aber nicht mehr so recht, und so kam mir die Idee mit dem Möublwogntischlää, zumal zwei farblich neutrale Herpa-(ex Albedo-)Möbelzüge (MAN F8 und Mercedes L 3500) ja auch erstmal erklärt sein wollen.

Vom Entschluß, den Zehntausender zu zerruppen, bis zum Einbau der Bodenbretter dauerte es dann kaum 'ne halbe Stunde: Pritsche runter, Führerhaus ab, Tanks absägen und tiefer wieder ankleben, Rahmenoberseite einebnen und Bretterplatte draufkleben, fertig. Die hinteren Radkästen werden entweder wirklich (dann aus Cinefoil) oder angenommenermaßen noch gebaut werden. Das hintere Ende des Rahmens ist Eigenbau aus PS-U-Profilen, da mir der Wiking-Rahmen nicht filigran genug war.

Der Aufbau ähnelt dem Prinzip bei einem gedeckten Güterwagen: Vom Rahmen nach außen laufen Kastenstützen aus 1×1 mm-PS-Profil (angenommenermaßen Stahl), auf denen ein (ebenfalls "Stahl"-)L-Profil ruht, das die Bodenbretter einfaßt. An dessen Außenseite stehen auf den Kastenstützen die senkrechten Kastenrungen, ebenfalls aus 1×1 mm-PS, diesmal aber als Holz lackiert. Die waagerechten Kastenleisten (eine mittig innen, zwei an der Oberkante: je eine innen und außen) sind 1×0,4 mm-PS-Rechteckprofilchen. Der "Dachstuhl" besteht aus Querträgern, die etwa an jeder zweiten Kastenrunge befestigt sind, darüber einem mittigen Längsträger (beide wieder 1×1 mm) und darüber gebogenen Querlatten aus 1,25×0,2 mm-PS.

Der Mercedes L 10000-Möbelwagen: Führerhaus-Detailansicht Das Führerhaus erhielt ein neues Dach und eine neue Rückwand aus derselben Bretterplatte wie der Wagenboden, eingefaßt wiederum mit diversen PS-Profilen (1×0,5 mm, 1×1 mm, 1,5×1 mm). Zur Montage des Dachs mußte ich das silberne Wiking-Teil entfernen und das darunterliegende Blinddach wesentlich dünner schleifen. Ohne Rückwand ist so ein Führerhaus ein recht labiles Gebilde, aber da Wiking ebenfalls PS verwendet, kann man das alles wunderbar verkleben. Das fertige Modell ist erstaunlich robust.

Gebaut wurde ziemlich frei Schnauze: erst der Boden, dann die Kastenstützen, dann die Führerhausteile, dann die senkrechten Kastenrungen. Nach dem Einkleben der inneren waagerechten Streben ist das Ganze schon ziemlich stabil. Es folgten die Dach-Querträger, Längsträger und Dachlatten und zum Schluß die äußere obere waagerechte Leiste. Auf die hinteren Türrahmen und Türen habe ich erstmal verzichtet – so weit ist Semmel halt noch nicht.

Die Farbgebung war mit die zeitaufwendigste Arbeit. Die "Stahl"-Teile wurden rostschutzfarben gestrichen, die "Bretter" graubraun, die "Leisten" dunkelbraun. Der Rahmen blieb bzw. wurde schwarz. Es ist eine gute Idee, die "Stahl"-Teile und "Bretter" vor dem Errichten des Kastens zu streichen und dessen Innenseiten vor dem Einbau des Dachs. Leider habe ich nicht alles so früh gestrichen, wie es sinnvoll gewesen wäre...

Ein konkretes Vorbild hat mein Möublwogn nicht, aber ich denke, er wirkt doch ziemlich realistisch. Bevor er auf die Anlage kommt, werde ich ihm aber noch Weinert-Trilexfelgen, Peilstangen, Spiegel, Scheibenwischer und einen geätzten Mercedesstern spendieren; das bin ich dem "oulen Kämpen" einfach schuldig, nachdem er über ein Jahrzehnt in der Bastelkiste lag.

Bilder

Die Bilder hier sind meine ersten Versuche mit einer (geliehenen) sog. "Webcam", also einer Videokonferenzkamera. Die Aufnahmen wurden mit einer Auflösung von 768×512 Pixeln gemacht, beschnitten und ein wenig kontrastreicher, intensiver und schärfer gerechnet. Die quadratischen Bilder im Textfluß sind Previews; Draufklicken fördert sie in voller Schönheit zutage. Das nächste Mal brauch ich mehr Licht!


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Zuletzt bearbeitet am 10. Juli 2002